Vor die Wand – oder doch nicht?
Dennis Meadows und Tim Johnson sind einer Meinung: Unser Wirtschaftsmodell muss sich ändern. Aber wie?
Als Dennis und Donnella Meadows 1972 ihre „Grenzen des Wachstums“ schrieben, befand sich die Menschheit noch unterhalb des Verbrauchslevels, das die Erde jährlich zur Verfügung stellt. Als Dennis Meadows 2006 seinen Berliner Vortrag hielt, waren wir schon 25 Prozent darüber: Jedes Jahr verbraucht die Menschheit ein Viertel mehr, als sie eigentlich dürfte, will sie nicht ihr „Konto“ hoffnungslos überziehen und – im übertragenen Sinn – „bankrott gehen. Und jedes Jahr wird es mehr.
Im Folgenden einige wichtige Thesen aus dem Meadows-Vortrag:
1. Die Prognosen aus den „Grenzen des Wachstums“ waren weitgehend richtig, allerdings sahen sie viele Entwicklungen erst später eintreten.
2. Die grundlegenden Fakten der Berichte werden heute nicht mehr angezweifelt.
3. Dennoch hat sich bisher keinerlei wirksame Gegenbewegung ergeben.
4. Die derzeitigen Regierungssysteme und das derzeitige Wirtschaftsparadigma sind für sich genommen untauglich, die Probleme zu lösen.
5. Entkopplung, wenn sie überhupt funktioniert, reicht nicht! Technologische Erneuerung hilft und ist deshalb notwendig, reicht aber auch nicht, weil sie nicht alle Dimensionen des Problems greift.
6. Die Menschen werden sich nicht mit dem Thema „Klimawandel“ beschäftigen, sondern eher mit Einzelthemen, vor allem Energie, die Auswirkungen auf andere Themen haben und dadurch weitere Veränderungen nach sich ziehen.
6. Weil die Zivilisation den Nachhaltigkeitslevel bereits überschritten hat, muss sie nun nicht langsamer wachsen, sondern tatsächlich in ihrem Ressourcenverbrauch absolut schrumpfen.
7. Durch die Verknappung der Ressourcen braucht man immer höhere Investitionsaufwände, weitere Ressourcen auszubeuten. Das wird am Ende das Wirtschaftswachstum unmöglich machen, da einfach nicht mehr genügend Investitionskapital mehr da ist respektive die Kosten einer Produktion teurer werden als der Gewinn, der daraus zu ziehen ist. Diese Situation ist schon in einigen eher randständigen Ländern erreicht, sie wird aber bald auch die größeren Industriestaaten treffen. (Fraglich ist, ob z.B. die Wirtschaftskrise in Griechenland und die Unruhen in Nordafrika als tiefste Ursache schon solche Probleme haben, meint die Autorin.)
8. Trotzdem wird es sich immer lohnen, etwas zu tun, um die Entwicklung umzukehren oder wenigstens abzumildern.
9. Um das zu erreichen, ist es dringend nötig, längere Zeithorizonte in Planung und Durchführung von Maßnahmen durchzusetzen. Denn sonst erscheinen kurzfristig positive, aber langfristig desaströse Maßnahmen besser als kurzfristig eher weniger, langfristig aber um so nachhaltiger wirksame Maßnahmen.
Ergänzend dazu die Punkte, in denen Tim Jackson gegenüber Meadows Neues oder weitergehende Dimensionen in die Diskussion einbringt. Hinsichtlich der Bedeutung des technischen Wandels (nötig, aber nicht ausreichend) und der Entkopplung (angesichts der erforderlichen Effizienzsteigerungen und der übrigen Probleme wie Überbevölkerung, Nahrung, Wasser… wohl unmöglich) ähnliche Sicht der Dinge wie Meadows. Neue Einsichten bringt Jackson hier:
1. Konsumgüter haben für Menschen eine symbolische Bedeutung, die weit über ihre Gebrauchsfunktion hinausgeht und unseren Standort im sozialen Kosmos mitbestimmt.
2. Statuskonsum von Gütern, die wir an sich nicht brauchen, ist einer der wesentlichen Motoren der Konsumgesellschaft und damit des Wirtschaftswachstums respektive Ressourcenverschleißes.
3. Der Mensch als anthropologisches Wesen bewegt sich zwischen den Polen Selbstbezug/Selbstverwirklichung und Altruismus sowie Neuheit/Erneuerung und Tradition, Stabilität und Bewahrung. Die letzte Phase der Moderne hat das Thema Neuheit – gesehen als Medium der Selbstverwirklichung durch den Besitz/die Nutzung von Konsumgütern resp. Konsum-Dienstleistungen (z.B. Ferntourismus) – zum Nachteil der übrigen Pole überbewertet.
4. Das hat auch Nachteile für die Menschen in den reichen Ländern und wohlhabenden Schichten in den sich entwickelnden Ländern, bei denen Wünsche nach Stabilität, Zugehörigkeit, Freundschaft, Zeit für die Familie etc. zugunsten von Konsumwünschen/-zwängen zwecks Statusdemonstration vernachlässigt werden.
5. Das Wachstumsdilemma lässt sich auf eine positiv konnotierte Weise lösen, wenn man es im Zusammenhang mit einer Stärkung der derzeit besonders vernachlässigten Dimensionen menschlicher Bedürfnisse und menschlicher Existenz sieht (Altruismus/Tradition bzw. Stabilität). Dann würde bei Reichen bzw. Wohlhabenden, bei denen Möglichkeiten zum materiellen „Abspecken“ bestehen, ein wahrscheinliches Weniger an materiellem Güterkonsum mit einem Mehr an Zufriedenheit/Glück einhergehen.
6. Unbestritten ist, dass Menschen, die in absoluter Armut leben, vorläufig Wachstum brauchen, bis sie alle wichtigen Lebensbedürfnisse (Nahrung und sauberes trinkwasser, Obdach, Hilfe bei Krankheit, menschliche Gemeinschaft, Bildung, Chance, sich weiterzuentwickeln) befriedigen können.
Kurz: Wenn alle wachsen sollen, müssen wir schrumpfen dürfen – zumindest was unseren Verbrauch angeht. Das bedeutet dann in Konsequenz weniger bezahlte Arbeit, mehr Eigenleistung, keine Automatisierung sozialer Dienstleistung, da dort Arbeit entstehen kann, die im Produktionsbereich verloren geht, stärkere Umverteilung von oben nach unten, Regulierung der Finanzmärkte zum Beispiel durch eine Transaktionssteuer etc. Und natürlich eine neue, gesellschaftlich akzeptierte Definition von Status, die sich nicht um den Besitz materieller, möglichst neuer Güter rankt.
Sonst geht es uns wie dem Hamster in diesesm schönen kleinen Film