Klimawandel in den Köpfen – „ÜBERZEUG MAL 7 MILLIARDEN MENSCHEN DAVON“
Wie kommen Jugendliche vom Wissen zum Handeln?
Wenn es darum geht, 7 Milliarden Menschen davon zu überzeugen etwas gegen den Klimawandel zu tun, dann sind Empowerment und Ownership DIE Stichworte. Es geht darum „selbst etwas“ zu tun. „Für die Leidenschaft, trotz Studium und Arbeit, ein Klimaprojekt zu wuppen, sind diese Gefühle entscheidend. Wer würde sonst freiwillig tätig werden?“
Das etwas getan werden muss, ist einer breiten Mehrheit der Bevölkerung klar. 95 Prozent aller Jugendlichen nehmen den Klimawandel als großes Problem wahr (16. Shell-Jugendstudie 2010). Und das, obwohl bisher bei uns in Mitteleuropa die Auswirkungen noch nicht am eigenen Leib zu spüren sind. Nur wie kommt man vom Wissen zum Handeln?
In unseren Interviews mit acht Jugendlichen (siehe unten) konnten wir feststellen, dass die Jugendlichen schon einiges über den Klimawandel und seine Folgen wissen. Die befragten Jugendlichen lassen sich durch ihre Aussagen, den in der 16. Shell-Jugendstudie 2010, herausgearbeiteten Typen zuordnen: Kritiker des Klimawandels, Klimaoptimisten und fatalistische Beobachter.
Rund die Hälfte der Befragten zeigten eine kritische Haltung zu den Klimaanpassungsbemühungen, die wir Erwachsene heute unternehmen. Sie haben das Gefühl, dass wir Erwachsenen noch zu wenig auf den Weg gebracht haben und ein besseres Vorbild sein sollten. Um dies zu sein, müssen wir Erwachsenen den Jugendlichen praktische Handlungen zur Klimaanpassung bieten, die sie motivieren in diesem Feld aktiv zu werden. Aber reicht das?
Wie müssen Erwachsene heute handeln, um Jugendlichen ein besseres Vorbild zu sein?
In der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) fällt im Zusammenhang mit dem Klimawandel immer häufiger der Schlüsselbegriff der Partizipation. Das bedeutet, dass SchülerInnen lernen sollen, sich an kollektiven Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Ein Negativbeispiel hierfür finden wir in unseren Interviews.
Johanna: „Unsere Schule baut im Moment auch um, und baut solche … ja so eine Art Klimaanlage. Das ist keine richtige Klimaanlage aber die pumpen O2 rein falls zuviel CO2 drin ist .. und dadurch kann man dann die Fenster nicht mehr richtig aufmachen und irgendwie soll das auch umweltschonend sein. Was das für einen Sinn macht, weiß ich nicht. Das ist irgendwie auch total sinnlos, weil der CO2 Melder ja ganz oben im Raum ist und CO2 ja schwerer ist und sich dann erst auffüllt. Das ist eigentlich voll dämlich. Jedes Kind, das in der 7. Klasse Chemie hat, weiß das CO2 schwerer ist und sich am Boden sammelt, aber gut es soll wohl helfen. Also unsere Schule versucht auch was, aber ich weiß nicht ob das so richtig ist.“
In der Literatur wird der Begriff der Partizipation stark differenziert
Die Partizipationsleiter des amerikanischen Psychologen Roger Hart unterteilt eine echte Partizipation in verschiedene Grade und unterscheidet diese von einer Scheinpartizipation.
Scheinpartizipation
1. Manipulation
2. Dekoration
3. Symbolische Partizipation
Grade von Partizipation
4. Kinder werden informiert
5. Kinder werden konsultiert und informiert
6. Von den Erwachsenen initiiert, Entscheidungen werden von den Kindern mitgetragen
7. Von den Kindern initiiert und dirigiert
8. Von den Kindern initiiert, Entscheidungen von den Erwachsenen mitgetragen
Das oben genannte Beispiel der Schulsanierung war dabei wohl eher in einem geringen Maße partizipativ.
Raingard Knauer von der FH Kiel kritisiert zusammen mit Benedikt Sturzenhecker die Beteiligungsmöglichkeiten von Jugendlichen an deutschen Schulen.
„Letztlich hat Partizipation von Jugendlichen in der Schule viel mit der Frage zu tun, ob und wie es gelingt, Jugendliche auch in der Schule aus ihrer Objektrolle als Schülerin oder Schüler zu entlassen und als Subjekte zu behandeln.
Zwar sind die Rechte von Schülerinnen und Schülern auf Beteiligung in den Schulgesetzen der Länder schon jetzt strukturell verankert, eine tatsächliche Umsetzung von Partizipation als Recht von Jugendlichen im Schulalltag findet aber nur begrenzt statt.“
Wie können wir Jugendliche stärker an den wichtigen Entscheidungen zur Klimaanpassung beteiligen?
Wenn wir uns selbst stärker an Entscheidungen beteiligen würden, könnten wir lernen, was „gelebte Partizipation“ bedeutet. Wir könnten Fehler begehen und daraus lernen. Wir würden weniger Vorurteile gegen eine direktere Beteiligung von BürgerInnen in einer Gesellschaft haben. … Und SchülerInnen sind nun einmal auch BürgerInnen unserer Gesellschaft
Jugendstudien: Schüler wissen viel über die Folgen des Klimawandels
Wissen über den Klimawandel und die damit verbundenen Problematiken, wie das Abschmelzen der Polklappen und Gletscher oder die Bildung von Wüsten ist bei einem Großteil der Bevölkerung vorhanden. Bereits im Jahr 2010 waren 95% der deutschen Jugendlichen unabhängig von Bildungsabschluss oder sozialer Gruppe der Meinung, dass der Klimawandel ein großes Problem ist. (16. Shell Jugendstudie )
Ungefähr die Hälfte der Jugendlichen haben eine kritische Einstellung zum Klimawandel. Sie glauben, dass der Klimawandel von Menschen gemacht ist. Vor allem seien dafür die reichen Industrieländer verantwortlich, aber die Folgen müssten vor allem die armen Länder tragen. Rund ein Viertel der Jugendlichen glaubt dass der Klimawandel in der Öffentlichkeit übertrieben dargestellt wird. Ihrer Meinung nach sind die Klimaprobleme mit Wissenschaft und Technik zu lösen, ohne dass wir unsere Lebensweise ändern müssten. Das letzte Viertel der Jugendlichen glaubt dass es bereits zu spät ist und gegen den Klimawandel nichts mehr getan werden kann.
Wie schafft man es nun das Gefühl der Machtlosigkeit zu überwinden? Wie schafft man Veränderung? Wirtschaft, Politik und Wissenschaft waren bisher nicht allzu erfolgreich. Sonst hätte man 20 Jahre nach dem Klimagipfel in Rio de Janeiro sicher schon mehr erreichen können. Es bleiben also die Menschen übrig, also wir und ihr. Wie erreichen wir Mitsprache und Einflussnahme jedes Einzelnen?
Wir haben mit sechs Jugendlichen gesprochen und sie dazu befragt.
INTERVIEWER: Was würdest du von den Erwachsenen erwarten? Welche Verantwortung haben sie?
PAUL: Naja, dass die uns ein gutes Vorbild sind halt.
JOHANNA: Ja also, ich denke dass die halt ein Vorbild sein müssen. Wenn die Eltern schon nicht einsparen und wenn die Eltern schon nicht zeigen, dass sie sparen oder irgendwie umweltbewusst sind, dann sind es die Kinder eben auch nicht. Dann denke ich haben sie schon eine riesengroße Verantwortung, weil die Kinder daraus lernen und die Kinder dann in einer besseren Welt leben.
INTERVIEWER: Und was könnt ihr selbst tun?
JOHANNA: Das ist eine gute Frage. Kommt halt drauf an. Je nach dem wie weit das jetzt geht mit diesen Initiativen. Wie gut wir jetzt dagegen ankämpfen, weil rückgängig machen geht´s ja eh nicht, nur vermindern und das kommt halt darauf an wie gut man´s jetzt noch vermindern kann. Und wie viel Mühe sich die Menschheit da jetzt noch gibt. Und ich bekomme nicht so wirklich viel mit, dass das wirklich viel besser wird. Wir z.B. machen im Winter die Heizung nicht so hoch an. Nur wenn es wirklich arschkalt ist und wir dringend eine Heizung brauchen. Sonst sitzen wir mit Pulli und Decke auf der Couch, und das reicht auch um uns warm zu halten.
PAUL: Die Energie, die ich tagtäglich verbrauche so niedrig wie möglich halten. Ansonsten denke ich, dass es bei der alten Art bleiben wird. Aber ich denke die Lebensweise wird sich dank der Entwicklungen erheblich verbessern.
MIRJA: Unser Haushalt ist auch ziemlich energiesparsam. Meine Mutter weiß schon alles mögliche was man tun kann um möglichst viel Energie zu sparen. Von daher denke ich mal dass ich das später auch übernehmen werde …
JENNY: Meine Mutter kauft manchmal auf einem Bauernhof. Und wir nehmen keine Papiertüten.
Klimawandel – Facts
Das Wort „Klimawandel“ wird seit langer Zeit geradezu inflationär gebraucht und man hört es vor allem in den Medien immer wieder.
Doch was wirklich hinter diesem, für viele Menschen noch immer vagen Begriff steckt, wird nur sehr wenig hinterfragt bzw. es findet kaum eine fundamentale Auseinandersetzung statt. Ein Grund ist, dass gerade hier in Deutschland bzw. Nordeuropa die Auswirkungen des Klimawandels noch nicht sehr sichtbar und daher mit den menschlichen Sinnen kaum zu erfassen sind.
In Deutschland werden die Klimaveränderungen von den meisten Menschen stattdessen sogar oft als positiv erlebt, nämlich in Form von gestiegenen Temperaturen im Sommer. Tatsächlich traten seit Beginn der Wetteraufzeichnung im Jahr 1850, die wärmsten Sommermonate in den Jahren 1998, 2002, 2003, 2004 und 2005 auf.
Fest steht, dass die Temperatur im vergangenen Jahrhundert tatsächlich um durchschnittlich 0,74 Grad Celsius angestiegen ist. Eine solch eindeutige Aussage über eine Klimaveränderung lässt sich nur machen, wenn man eine deutliche Wetterschwankung in einem Zeitraum von rund 30 Jahren feststellen kann.
Erwiesen ist, dass sich das Klima noch weiter ändern wird und einige der Folgen sind z.B. eine langfristige Erwärmung der Erdoberfläche und das Ansteigen des Meeresspiegels (erwartet wird ein Anstieg von 0,8 bis 1,6 Metern) . Einige dieser Folgen sind bereits sichtbar, indem es z.B. häufiger zu Wetterextremen kommt (v.a. Überschwemmungen, Stürme sowie extreme Trockenheit, die zu einer vermehrten Wüstenbildung führt).
Für Deutschland stellte das Max-Planck-Institut 2006 fest, dass die Jahresmitteltemperaturen bis zum Jahr 2100 im Vergleich zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts um 2,5 bis 3,5 Grad Celsius ansteigen könnten. Mit mehr als 4 °C fiele die Erwärmung im Winter in Süd- und Südost-Deutschland besonders stark aus. Im Sommer könnten die Niederschläge in Süd-, Südwest- und Nordostdeutschland bis zu 30 Prozent zurückgehen. Das könnte Dürren im Sommer, vor allem im Nordosten Deutschlands, verschärfen.
Im Winter würde es in ganz Deutschland feuchter. Gerade in den Mittelgebirgen Süd- und Südwestdeutschlands sei mit einem Drittel mehr Niederschlägen zu rechnen. Schnee werde es regional allerdings weniger geben: Fällt momentan etwa ein Drittel des Niederschlags in den Alpen als Schnee, könnte es am Ende des Jahrhunderts nur noch ein Sechstel sein.
Begegnen kann man den Klimaveränderungen nur mit adäquaten Maßnahmen der Klimaanpassung sowie einer Sensibilisierung der Menschen. Unter Klimaanpassung können alle Initiativen und Maßnahmen verstanden werden, die dazu dienen, die Empfindlichkeit natürlicher und menschlicher Systeme gegenüber bereits erfolgten oder erwarteten Auswirkungen des unvermeidbaren Klimawandels zu verringern. Betroffen vom Klimawandel sind ökologische, soziale und ökonomische Systeme.
Räumliche Anpassung an den Klimawandel muss von vielen Akteuren, Institutionen und Fachplanungen getragen werden.
Ein Beispiel für Klimaanpassung ist z.B. die Aufforstung, die als Maßnahme Schutz gegen die Folgen von Extremwetterereignissen bietet. Böden werden so geschützt und gleichzeitig – durch das Speichern von CO2 – Klimaschutz betrieben wird.
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Unser Fazit:
Das Wichtigste ist, dass Klimawandel alle etwas angeht! Das Konzept der „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (BNE) will dafür Gestaltungskompetenzen schaffen. BNE vermittelt Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nachhaltiges Denken und Handeln. Sie versetzt Menschen in die Lage, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und dabei abzuschätzen, wie sich das eigene Handeln auf künftige Generationen oder das Leben in anderen Weltregionen auswirkt.
BNE vermittelt Wissen über:
- globale Zusammenhänge und Herausforderungen wie den Klimawandel oder globale Gerechtigkeit;
- die komplexen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Ursachen dieser Probleme.
Darüber hinaus vermittelt BNE mit dem Konzept der Gestaltungskompetenz, die Fähigkeit Wissen über nachhaltige Entwicklung anzuwenden, Probleme nicht nachhaltiger Entwicklung erkennen zu können und nachhaltige Entwicklungsprozesse praktisch zuverwirklichen. (http://www.bne-portal.de)
- Wir wollen uns als Erwachsene dafür einsetzten, das sich BNE in der Praxis im Sinne einer gelebten Partizipation stetig weiter entwickelt!
Spannend, dass die im Vergleich mit „Den Jugendlichen geht der Klimawandel am Arsch vorbei?“ hier bei ähnlicher Ausgangslage, das vorhandene Wissen, der Wunsch nach Partizipation betont wird. Nichtsdestotrotz nimmt die „Vorbildfunktion“ der Lehrenden eine zentrale Rolle ein. Aber ist es nicht zu einfach, zu sagen, dass die Erwachsenen ihr Verhalten ändern müssen? Geht es nur um eine Vorbildfunktion oder ist es nicht auch genau andersherum, dass Erwachsene von Jugendlichen lernen können und ein generationsübergreifendes Lernen erforderlich ist? Also, z.B. könnte ja von den Jugendlichen erstmal nachgefragt werden, was es für einen Sinn macht, diese Klimaanlage einzubauen, um dann womöglich partizipieren zu können.