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Mit Bildung und Nervennahrung gegen den Klimawandel – in Deutschland und weltweit

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© M. Großmann  / pixelio.de

 

Mit den 17 umfangreichen Nachhaltigen Entwicklungszielen der UN (Sustainable Development Goals, SDGs) soll unsere Gesellschaft gerechter, nachhaltiger, umweltschonender und sogar gesünder gestaltet werden [1].
Doch was bedeutet das konkret für Deutschland? Welche Entwicklungsschritte und Aufgaben leiten sich daraus ab?
Ob und wie ein gesellschaftlicher Wandel geschehen kann, soll an drei SDGs veranschaulicht werden, die auf den ersten Blick bereits sehr zentral erscheinen und auf den zweiten Blick sogar stark ineinander greifen.

 

Ziel 4 – Bildung für alle 

 *** Leben ist lernen ***
 
Jedem Kind den Zugang zu Primärbildung ermöglichen – das ist das Ziel bis 2030. In Deutschland ist dieses Ziel durch den Schulzwang bereits sichergestellt. Allerdings ist in dieses Bildungsziel die Prämisse integriert, vor allem auch die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) flächendeckend einzugliedern. Die vermittelten Themen  umfassen die Achtung der Menschenrechte, die Gleichberechtigung der  Geschlechter und die ökologische Nachhaltigkeit. Sie bilden also die Grundvoraussetzung, um eine nachhaltige Zukunft zu ermöglichen, sowohl in sozialer, als auch umweltbezogener Hinsicht.
Bildung befähigt Menschen dazu, eigenmächtig zu handeln, zu reflektieren und fördert ihr Selbstvertrauen. So hat jeder Mensch die Möglichkeit, eine wertvolle Kraft auf dieser Erde zu werden, die andere auf diesem Weg mitnimmt.
Walter Hirche, Chairman des Governing Board des UNESCO Institute for Lifelong Learning und Mitglied des RNE zu diesem Ziel: „Deutschland befindet sich auf diesem Weg zwischen dem ersten Drittel und der Hälfte.“
In Deutschland ist es wichtig, dass sich das Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an alle Alter- und Berufsklassen richtet, und spezielle Multiplikatoren ausgebildet werden. Es darf niemand ausgelassen werden.
Besondere Herausforderung für Deutschland besteht in der sozialen Ungleichheit im Bildungsbereich, denn stärker als in vielen anderen Ländern [Europas?] ist der schulische Erfolg bei Kindern noch stark von ihrer sozialen Herkunft beeinflusst.
Die Herausforderung besteht wie auch bei den anderen SDG´s in ihrer Umsetzung. Gerade im Bereich der BNE sind auf nationaler Ebene ein ambitionierter und zeitlich eindeutiger Umsetzungsplan wichtig, der sich an die Bildungsdekade anschließt und ihre Früchte weiterträgt [2]. Dafür können institutionelle Ressourcen aufgegriffen und wiederbelebt werden, personelle und finanzielle Kapazitäten sind erneut nötig.

 

Ziel 2 – Hunger beenden, Ernährung sichern und nachhaltige Landwirtschaft fördern

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© roja48  / pixelio.de

 

Bis 2030 soll kein Mensch mehr an Hunger sterben. Zudem soll die Nachhaltigkeit der Systeme der Nahrungsmittelproduktion sichergestellt werden sollen [3]. Um eine produktive Form der Landwirtschaft zu erreichen, die zum einen Erträge sichert, zum anderen aber auch zum Schutz der Ökosysteme beiträgt, ist ein Umdenken in der gegenwärtigen Agrarpolitik notwendig. 
Seit Ende der 70er Jahre verzerrt die EU-Politik den Markt durch hohe Subventionszahlungen an Landwirte. Fallende Milchpreise machen regelmäßig auf die missliche Situation aufmerksam. Eine neue Struktur der Landwirtschaft ist dringend notwendig, um globale Verantwortung zu übernehmen und internationale Zusammenarbeit zu fördern. 
Eine nachhaltige und ökologische Landwirtschaft umfasst außerdem das Wiedererschließen von “verbrauchtem” Mutterboden. Nach heutigem Kenntnisstand muss daher der Einsatz von Pestiziden, chemischen Düngemitteln u.ä. abgelehnt werden. Für Deutschland ist es daher  wesentlich durch ökologische Landwirtschaft die biologische Vielfalt zu erhalten und die Bodenqualität langfristig zu sichern.
Besonders spannend – gerade auch in Bezug auf Ziel 4 (Bildung) – ist dieses Ziel in zweifacher Hinsicht:
1) Brainfood
Hochwertige, biologisch erzeugte und frisch zubereitete Nahrung ist eine wichtige Voraussetzung für gelingendes Lernen. Stark verarbeitete Produkte hingegen schwächen die Konzentration und Aufmerksamkeitsleistung dramatisch. [4]
2) Essen für die Welt
Auch weltweit werden bereits genügend Lebensmittel Welt produziert, um das Überleben aller 7 Millarden Menschen sicherzustellen. Trotzdem sterben jährlich zahlreiche Menschen an Unterernährung. Ein Kernaspekt ist die Nutzung von pflanzlichen Nahrungsmitteln zur Erzeugung von tierischen. 60% aller Getreideeugnisse und 70% aller Ölsaaten werden an Tiere verfüttert [5], dies sind bis zu 16 kg Getreide pro 1 kg Fleisch [6]. Durch eine pflanzlichere Ernährung – auch hier in Deutschland – würde dazu beigetragen werden dass jeder Mensch genug zu essen hat [7]. Genügend Nahrung wiederum fördert den Bildungsanschluss in allen Regionen dieser Erde.
Es sei erwähnt, dass der zuletzt genannte Punkt NICHT expliziter Teil der SDGs sind. Umso spannender ist es, dass die pflanzlichere Ernährung eine Schlüsselkomponente für beide SDGs darstellt – vor allem auf globaler Ebene.

 

Bildungs~Hunger?

Ziel 2 ist mit der Förderung von lokaler Kultur und Produkten sowie einer Sensibilisierung für nachhaltige Entwicklung und einen umweltverträglichen Lebensstil verknüpft (s. Ziel 12).
In der Praxis der BNE erscheint der Fokus auf regionale, biologische und pflanzliche Nahrungsmittel und Anbaumethoden daher sehr lohnenswert. Ganz im Sinne der BNE können hier sowohl Handlungskompetenzen vermittelt werden (z.B. Gemüse selbst anbauen), also auch die globalen (positiven) Auswirkungen erarbeitet werden.

 

Ziel 13 – Klimawandel stoppen 

Der Klimawandel wird – in seiner Fortschreitung – extreme Auswirkungen auf alle Ökosysteme, die Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung sowie zahllose Tierarten haben.
Mit der Fortschreitung des Klimawandels ist auch in Deutschland mit Veränderungen für die Landwirtschaft und vermehrten Extremwetterereignissen zu rechnen. Dieses Thema ist ein wichtiges Kernelement der BNE.

Besonders spannend wird es, gerade auch im Bildungskontext, bei der Verknüpfung von Klimawandel und Ernährung. Diese beiden Themen sind in vielerlei Hinsicht miteinander verknüpft:

1) Klimawandel & konventionelle Landwirtschaft
Die konventionelle Landwirtschaft mit chemischen Düngern und Pestiziden sowie Monokulturen schadet dem Boden, Insekten, heimischen Tierarten, und dem Grundwasser. Durch den „Verbrauch“ von Fläche muss neue Fläche zum Anbau entstehen, was die Kapazität (z.B. von Wäldern) CO2 zu binden, verringert. Somit wird der Klimawandel weiter begünstigt und Ökosysteme geschädigt.
 2) Klimawandel, Brainfood & Essen für die Welt
Frisch zubereitete und ökologisch angebaute Nahrung hilft also nicht nur uns beim Lernen, sondern ist auch ein wichtiger Schritt zur Erhaltung dieser Erde.
Tierische Produkte benötigen große Mengen an Wasser und Landfläche [5]. Enorme Mengen an Treibhausgasen – direkt durch von den Tieren ausgestoßenes Methan und indirekt durch Abholzung für Anbauflächen, dadurch entstehende Bodenschäden und Transport – werden bei der Produktion tierischer Lebensmittel zusätzlich erzeugt [8]. Dies steht wiederum im direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel.
Das Aufzeigen dieser Zusammenhänge – in Deutschland sowie global – bietet im Rahmen von Bildung für nachhaltige Entwicklung unglaublich vielseitige, spannende, praktische und kreative Anknüpfungspunkte, die ein integriertes Lernen und das Erwerben von Handlungskompetenzen fördern.
Deutschland kann die dazu benötigten finanziellen, strukturellen und auch personellen Rahmenbedingungen schaffen. Und würde mit der Entwicklung und Bereitstellung von interaktiven Lernmethoden und Lernprojekten viele weitere Länder unterstützen können.

 

Quellenverweise:

[1] Martens/Obenland 2016: Die 2030-Agenda. Globale Zukunftsziele für nachhaltige Entwicklung. https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/GPFEurope/Agenda_2030_online.pdf
[3] Ebd., S. 33.
[4] ‘Junk food’ diet and childhood behavioural problems: results from the ALSPAC cohort http://www.nature.com/ejcn/journal/v63/n4/full/1602967a.html
[6] „US Department of Agriculture Economic Research Service“ veröffentlicht in Mark Gold and Jonathon Porritt, „The Global Benefits of Eating Less Meat,“ 2004, S. 23.
[7] Worldwatch Institute 2004: Meat, now it’s not personal.
[8] Analysis and valuation of the health and climate change cobenefits of dietary change http://www.pnas.org/content/113/15/4146.abstract