Hintergrund

Internationale Sommeruniversität 2022

Transmedia Storytelling | Kultur des Klimawandels | Kommunizieren für die Zukunft

Seit fast 20 Jahren arbeitet die Internationale Sommeruniversität daran, das „hyperkomplexe“ Phänomen der Klimawandelirritationen und beginnenden Metamorphosen in den natürlichen Rahmenbedingungen der menschlichen Kulturen darzustellen. Sie versuchte dabei, in verschiedenen Kommunikationsformen, vor allem erzählerisch in unterschiedlichen Formaten, zukunftsbezogene Szenarien und Narrative zu „gestalten“ (transmediales storytelling und storyworld).

Das hat uns künstlerisch interessiert, aber ist auch in der Einsicht begründet, dass die fehlende Überzeugungskraft einer nur wissenschaftlichen Kommunikation offensichtlich nicht ausreicht, Handlungen auszulösen.

Die Internationale Sommeruniversität verfeinerte auch deshalb ihre Erzählmethoden und arbeitete etwa mit Szenarien, Bildern und Symbolen. Es war u.a. auch die Metapher Melancholie, die dem Auftrieb gab: „Das, was wir wissen reicht, um zu begreifen, dass das moderne Zeitalter zu Ende ist. Es ist vorbei. So wie es funktionierte, reicht es nicht mehr in die Zukunft. Also! Suchen wir nicht die Lösung in dieser alten Logik, nicht mehr. Wir sind frei – zu denken und zu machen.“ Das war 2019 das Resümee.

Weiterhin offene Fragen: Was, warum kommunizieren?
Vor kurzer Zeit stellte das KMGNE Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren die Frage: „Was tust Du bei (Zukunfts-)Angst?“  Alle schrieben, sie haben Angst. „Der Boden verschwindet unter den Füßen,“ war die häufig zu hörende Metapher für die Angst, eine Angst vor Kontrollverlust über die eigene Souveränität, die Agst vor fehlender Orientierung in einer hyperkomplexen Realität zwischen Wissen, Haltungen und Fähigkeiten. Nicht nur Bruno Latour schreibt davon.

Die Unübersichtlichkeit, das Orientierungslose in der Postmoderne … sind Indizien des Epochenwechsels, der, wie Mathias Greffrath sagt, die neue „Große (Gemeinsame) Erzählung“ braucht. (NDR Kultur, 5.12.2021 um 8:40 Uhr)

Auch das Klimatheaterstück Tornado, im Vorfeld der letzten Sommeruniversität in Karnitz aufgeführt, machte dies deutlich: Die neuen Zustände scheinen so anders zu sein, dass sie als Thema für das Theater aber weit darüber hinaus nicht funktionieren, weil dies eben kein Thema, sondern ein neuer „Aggregatzustand unseres Seins“ (B. Ulrich) sein wird.

Was fehlt? Was nun? – Sommeruniversität 2022 – Erzählungen zum Handeln
Der neue Aggregatzustand ist überregional, global, kulturübergreifend. Die Herausforderungen des Epochenwechsels sind vor allem auch globale kulturelle Herausforderungen. Die Sommeruniversität 2022 versucht dem Raum zu geben, indem sie Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Multiplikator*innen aus Südamerika, Europa und Afrika einlädt, in den Resonanznetzen der Transdisziplinarität und Multikulturalität zu arbeiten.

Wir stecken in lauter Erzählungen, Bildern, Metaphern, Symbolen, die uns vermitteln können, wie sich unsere heutige Weltsicht entwickelt hat und welche Alternativen es jeweils vielleicht gegeben hätte. Kollektives Gedächtnis, Diskurse, mentale Infrastrukturen, Narrative, Welt-Anschauungen, Erbe – diese Konzepte versuchen das zu fassen. Daraus leiteten dann unsere Vorfahren und daraus leiten wir selbst entsprechendes Handeln ab. Diese Erzählungen sind in vielen Formen und Medien aufgehoben: in Gebrauchsgegenständen, Technik, Architektur und  Städtebau, in Landwirtschaft, landschaftlichen Strukturen, Objekten, Artefakten, Visualisierungen, medialen Repräsentationen und Kunstwerken. Doch werden sie in den bestehenden Diskursen zur Gestaltung des Wandels zu wenig thematisiert.

Die Leitfragen der Sommeruniversität 2022 lauten deshalb: „Was können wir von diesen Dingen über uns und unsere Vorstellungen – im Hinblick auf den Epochenwandel – lernen? Wie können wir uns diese Geschichten gegenseitig erzählen? Wie sie verstehen? Welches Handeln im Umbruch leitet sich daraus ab, welches Repertoire an Möglichkeiten haben wir?“

Verbindung mit Summer School der documenta 15
Die Summer School von EVC (29 Juli – 5 August 2022 in Kassel) bringt im Rahmen der documenta fifteen / CAMP on education Künstler*innen, Gestalter*innen und Kunstvermittler*innen von drei verschiedenen Kontinenten zusammen, um gemeinsam an Formaten, Inhalten und Methoden der Diskursgestaltung an den Schnittstellen von Bildung, Kunst, Visual Cultures, Kulturpolitik zu arbeiten. Die Inhalte betreffen die Prinzipien dieser kommenden documenta, die viele Traditionen des westlichen Kunstverständnisses auf den Kopf stellen wird:

Die künstlerische Leitung durch das indonesische Kollektiv ruangrupa knüpft bei der Gestaltung der weltweit wichtigsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst bewusst und programmatisch an die kulturelle Traditionen, Verständnisse und Epistemologien des Globalen Südens an. Damit wird die Rolle von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft außerhalb eingeübter Denkroutinen und im Hinblick auf den globalen Wandel neu bestimmt. Dieser Kontext ist für EVC von höchstem Interesse.

Parallel zu der genannten Summer School finden vierwöchige Residenzen von Studierenden der Partnerhochschulen weltweit statt (25 Juli – 25 August). Diese Studierenden werden im Anschluss an ihre Kasseler Residenz ihr dort entwickeltes Wissen, ihre dort sensibilisierten Perspektiven, die dort fokussierten Diskurse in die Durchführung der Summer University in Karnitz einbringen.

Kooperation mit ARW-Afrika
Der Verein „Afrikas Renaissance und Wiederaufbau e.V.“ besteht aus Studierenden, Lehrenden und Alumni von Universitäten. Gemeinsame Bildung als Weltbürger und eine gute Ausbildung für Wissensaufau und Technologiekompetenz in Länder Afrikas südlich der Sahara  zur Verbesserung von Livelihood der diesbezüglich am stärksten benachteiligten Bevölkerung in diesen Ländern sowie zur Umsetzung einer gleichberechtigten, sozialen, ökonomisch und ökologisch nachhaltigen Entwicklung – das sensibilisiert sie für die Sommeruniversität.

Kooperation mit NIDAS-UAHC Chile
Das chilenische Institut ist der Knotenpunkt für die Erzählarbeit in Transformationsprozessen Südamerikas. Es organisiert und leitet die Version der Sommeruniversität, die ihre Präsenzphase im Januar eines Jahres in Santiago de Chile hat.