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Liebe Kommilitonen companeros de estudios, – Mitstreiter fellow student  comrades in arms, companeros de armas

Dieser Begriff Kommilitone ist passend für unsere Sommeruniversität. 

Denn deren Überschrift und Aufgabe besteht ja darin, Erzählungen zum Anthropozän zu schaffen. Von beiden – also vom Anthropozän oder Kapitalozän und wie man das so erzählen kann, dass wir als Kultur überleben – wissen wir eigentlich noch nichts. 

Wir wollen und müssen also forschend lernen, also suchen und denken. Denn worüber wir denken und erzählen wollen bedeutet einen Durchbruch in der Wahrnehmung und im Verständnis der ganzen Welt. Dieser Durchbruch hat den Effekt eines unerwarteten Verstehens. Das ist nicht einfach eine Überraschung, sondern eine Art Überraschung, die begreiflich macht, was zuvor undurchschaubar oder im toten Winkel der Aufmerksamkeit verborgen war. Und es ist eine Überraschung, die eine Art von Verstehen einschließt, von dem man nicht genau weiss, was man verstanden hat und dem man dennoch vertraut.

Wir stecken mitten im Anlauf auf einen Epochenwechsel hin. 

Bei mir gibt es da Assoziationen: Z.B. Heimweh nach der Zukunft wie David Bowie es sagte. Oder abstreifen des immergleichen Geschichtsbildes oder Erwachen aus der Fortschrittsgeschichte. – Ich bräuchte jetzt viel Zeit, um zu erklären, was ich damit meine. 

Aber eines wird sicher klar: Wenn wir Epochenwechsel auch nur ansatzweise denken und erzählen wollen brauchen wir einen begrifflichen Durchbruch. Brauchen wir Wörter, Bilder, Symbole, Metaphern, die dem Epochenwechsel dienen, ihn aussprechen lassen. – Bisher benutzen wir nur die Sprache der Kritik im und an dem Kapitalismus. Das ist nötig, aber nicht ausreichend. Sprache als performativen Akt zu verstehen oder als Tun – wie Judith Butler sagt – braucht die passenden Begriffe und Bilder, also Artefakte, die Deutungen verkörpern. Sprache bildet sich an der Wirklichkeit, aber Sprache bildet uns auch die (zukünftige) Wirklichkeit. 

Mit diesem philosophischen und erkenntnistheoretischen „Hammer“ möchte ich Euch herzlich im Namen des KMGNE zur Sommeruniversität in Santiago begrüßen. 

Vor fast 20 Jahren haben wir hier in Chile, in San Bernardo die Sommeruniversität begonnen.

Die Idee damals war noch sehr einfach: Wir wollten über Nachhaltigkeit und Klimawandel „aufklären“, Volksbildung machen und dazu visuelle Techniken einsetzen. Denn in der Öffentlichkeit gab es den Klimawandel nicht. 

Ob das ausreichend ist – bei dieser Frage hatten wir damals auch schon unsere Bauchschmerzen. 

Viele Einrichtungen und vor allem wache, kluge Personen haben uns bei der Sommeruniversität begleitet und unterstützt: die Escuela de Cine mit Carlo Flores -jetzt Universidad de Chile, Canelo de Nos mit Gabriel Sanhueza (!), Antonio Elisalde (Universidad Bolivariana), die Schauspielerinnen Marcela de la Carrera, Alexandra Jarra und Gregory Cohen, Kolleginnen aus der Universidad las Americas, Wilfredo Alvaro (UN-Wüstenkonvention) und viele andere. – Dasselbe trifft für Einrichtungen in Deutschland und Europa zu: Humboldt-Universität Berlin, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Grimme-Institut, Wuppertalinstitut, Ecomove usw. – 

Ich glaube, seit 13 Jahren etwa kooperieren wir fest mit der UAHC. Die Sommeruniversität ist hier angebunden, ist willkommen und wird gebraucht. Und durch diese stabile und vertrauensvolle Zusammenarbeit konnte sich diese besondere Bildung etablieren. Das zeigt sich auch darin, dass das gemeinsame Institut NIDAS den Diplomado (DIV) eingerichtet hat. 

Die Sommeruniversität ist Lernort der UNESCO, hat Preise erhalten und wird in einer Reihe von Büchern hinsichtlich des diskutiert.  Das hört sich gut an und ist sicher auch gut! 

Aber – wenn man so lobend über sich spricht und nicht zu eitel ist – dann kommt immer das Aber: Also Aber: ich denke, dass wir trotz allem nicht auf dem Stand sind

Wenn ich das so sage, dann ist das ein Selbstgespräch, eine Reflektion unserer Arbeit unter den existentiellen Herausforderungen des Kapitalozäns  (als desaströse sterbende zerstörende Veranstaltung)

  • Transdisziplinarität – Wissenstypen
  • Erkenntnisstechniken zusammen bringen (Kunst, Wissenschaft, Philosophie)
  • Die westlichen Referenzsysteme .. (documenta 15)

Wir müssen inhaltlich und strukturell zusammenkommen. 

Unser wissenschaftliches Selbstverständnis 

In dem Sinn kann die Sommeruniversität, mit ihrer kulturellen Vielfalt und mit ihren verschiedenen Denkweisen beitragen – wenn wir uns als Kommilitonen verstehen.

Bild von Sergio Cerrato – Italia auf Pixabay