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Öffentlichkeitsbeteiligung und Wissens-Ko-Produktion – Internationale Sommerschule in Montpellier

Durch die finanzielle Förderung der Gesellschaft von Freunden der Technischen Universität Berlin konnte ich vom 09. bis 13. Juli 2018 an der Internationalen Sommerschule „Concepts and tools to engage in knowledge co-production and public participation“ an der MSH Sud Montpellier in Frankreich teilnehmen. Organisiert wurde die jährliche Veranstaltung von SOCIUS, als Teil der Universität Lissabon, und Lisode, einer französischen Beratungsorganisation für Gestaltung und Implementierung von Partizipationsprozessen.

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Summer School in Montpellier (c) Lisode

Der fünftägige Kurs begann mit einem Rollenspiel über Wasserbewirtschaftung in Südfrankreich. Die Teilnehmenden erlebten in den Rollen der Staudamm-Manager*innen, Farmer*innen und Bürgermeister*innen von Städten mit unterschiedlichem Flusszugang selbst die Notwendigkeit einer Vermittlung von Interessen, und dass Lösungen bei komplexen Problemstellungen nur gemeinsam gefunden werden können. Auf dieser Basis planten die Teilnehmenden anhand von Fallstudien eigene Partizipationsprozesse im engen Austausch mit der Gruppe und begleitet durch die Kursleiter*innen. Schritt für Schritt wurden die Übungen durch Vorträge und Diskussionen begleitet. Im ersten Schritt galt es den Kontext des Beteiligungsprozesses zu verstehen, die Stakeholder zu identifizieren und zu analysieren und anschließend strategisch den Beteiligungsprozess zu planen. Hierfür wurden hilfreiche Werkzeuge und Leitfragen bereitgestellt. Den Abschluss bildete die gemeinsame Evaluation des Kurses, wobei die Teilnehmer*innen eigene Kriterien entwickeln mussten.

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Rollenspiel zur Wasserwirtschaft (c) A.Kraft

Bisher hatte ich mich mit Beteiligung und den oben genannten Themen vor allem theoretisch auseinandergesetzt. In meinem Promotionsprojekt geht es um Forschungsbeteiligung von Praxisakteur*innen und transdisziplinärer Wissensproduktion in Reallaboren zum Thema Energiewende im ländlichen Raum. Betreut wird die Promotion an der TU Berlin über Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel, im Forschungsprojekt ENavi über Dr. Joachim Borner vom KMGNE  und von Seiten der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde über Prof. Dr. Heike Walk. Ich werde untersuchen, wie die Akteur*innen sich (selbst) organisieren und welche Fähigkeiten Praxisakteur*innen durch die Beteiligung in Forschungsprozessen erwerben.

Durch die Summer School habe ich vor allem mein Verständnis über Herausforderungen und Wissen um die strategische Planung und Auswertung von Beteiligungsprozessen erweitern können. Die Übung an konkreten Fallstudien wird mir helfen, die neuen (Analyse-)Methoden auf mein Fallbeispiel Reallabor Nordwestmecklenburg anzuwenden. Besonders wertvoll waren die Übungen und Diskussionen zum Thema Facilitation und zur kollaborativen Wissensproduktion. Der in meiner Arbeit betrachtete Diskurs um Reallabore findet bisher vor allem auf nationaler Ebene statt, wobei ähnliche Ansätze international existieren. Die Sommerschule hat mir geholfen, internationale Perspektiven kennen zu lernen. Durch die Teilnehmenden aus verschiedenen Nationen habe ich einen besseren Überblick über Akteur*innen von Beteiligungsprozessen  gesellschaftlicher Entscheidungsfindung erhalten sowie Neues über Forschungsprozesse zum Lösen gesellschaftlicher Probleme gelernt. Im Kurs trafen unterschiedliche Fachgemeinschaften und wissenschaftliche Disziplinen aufeinander, welche sich mit Beteiligungsprozessen beschäftigen, aber aufgrund von (Sprach-)Barrieren (fachliche wie auch nationale) selten darüber diskutieren. Mit einigen Teilnehmenden ist darum ein weiterer Austausch geplant.

 

 

Neben dem fachlichen Austausch waren auch die Zeit in Montpellier und die persönlichen Gespräche mit den Teilnehmenden und Veranstalter*innen spannend. Gleich am zweiten Abend verfielen wir mit den vor allem französischen Fußball-Fans in kollektiven Jubel über das gewonnene WM-Halbfinale. Durch eine Stadtführung hatten wir die Möglichkeit Montpellier näher kennen zu lernen und bekamen so Zugang zum sonst nicht öffentlich zugänglichen Arc de Triomphe und zu einer mittelalterlichen Mikwe. Am Freitag fand ein grandioses Feuerwerk an der Küste anlässlich des Nationalfeiertages statt – ein gelungener Abschluss.

Insgesamt bot die Sommerschule eine sehr gelungene Mischung aus Theorie und Praxis. Jedem, der sich mit der Planung von Beteiligungsprozessen befasst oder diese untersucht kann ich den Kurs sehr empfehlen. Mir hat er für meine Forschungsarbeit, aber auch persönlich sehr geholfen. Auch freue ich mich auf den weiteren Austausch mit den Teilnehmenden und ihren Institutionen.

 

 

2 Gedanken zu „Öffentlichkeitsbeteiligung und Wissens-Ko-Produktion – Internationale Sommerschule in Montpellier“

  1. Danke für den Text!

    Ich habe zwei Rückfragen: Am Ende des zweiten Absatzes steht: „Im ersten Schritt galt es den Kontext des Beteiligungsprozesses zu verstehen, die Stakeholder zu identifizieren und zu analysieren und anschließend strategisch den Beteiligungsprozess zu planen. Hierfür wurden hilfreiche Werkzeuge und Leitfragen bereitgestellt.“

    – Den „Beteiligungsprozess zu planen“, gehörte das auch zum ersten Schritt oder war das ein weiterer?
    – Um welche Werkzeuge und Leitfragen handelte es sich?

    Viele Grüße,
    Thomas

    1. Hallo Thomas,
      danke für deine Fragen.

      – Beteiligungsprozess planen kann als Teil des ersten Schrittes, aber auch als zweiter Schritt nach den Vorarbeiten (Kontext verstehen etc.) gesehen werden.

      – Werkzeuge: bspw.
      (1) Kontext des Beteiligungsprozesses verstehen: Definition Grenzobjekt (Boundary Object (Bergmann et al., 2010:106), Sammlung von Schlagworten (Mind Map) auf Basis Akteursperspektiven, Problem tree, Vor-Ort Begehungen
      (2) Stakeholder identifizieren: Fokusgruppen, Leitfadengestützte Interviews, Fragebogen nach dem Schneeball-Prinzip (Leventon et al., 2016)
      (3) Stakeholder analysieren: Visualisierung durch Stakeholder-Einfluss-Interessen-Matrix (Reed et al., 2009) , Akteurslandkarten (Zimmermann, 2006:29), Wissensbilanzierungen
      (4) strategisch den Beteiligungsprozess planen

      -Leitfragen: bspw.
      (1) Öffentlichkeitsbeteiligung an der Entscheidungsfindung vs. „transdisziplinäre Forschungskollaboration“,
      (2) Welche Akteur*innen sollen eingebunden werden?
      (3) Welche Beteiligungsintensität wird angestrebt? (Arnstein, 1969; Meyer-Soylu et al., 2016:31).
      Grundlegende Planungselemente sind dabei: Benennung des Planungsschritts, Ziel(e), Beteiligte, Methode/ Werk-zeug und benötigte Mittel.
      Idealerweise sollte das Ziel und die Beteiligten die Methode bestimmen. Sind die verfügbaren Mittel begrenzt sollte nach weniger Ressourcen intensiven Methoden gesucht werden, welche jedoch das Ziel ebenfalls erfüllen können. Bei limitierten Ressourcen, aber auch um Hand-lungsfähigkeit zu sichern sollte es vor allem darum gehen, eine hohe Beteiligungsqualität mit hoher Perspektivenvielfalt anzustreben, anstatt auf eine quantitativ hohe Beteiligung abzuzielen (Partizipationstyrannei vgl. Berner, 2001; Partizipationsmythos vgl. Seebacher et al., 2018).

      Ich hoffe das beantwortet die Frage soweit. Joachim und ich überarbeiten gerade das Konzeptpapier zu den Reallaboren, wo dieser teil ebenfalls eine Rolle spielen wird.

      Liebe Grüße
      Anne

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